Neue Wege gehen – Grenzerfahrungen einer Grönland-Expedition

Eine Veranstaltung des BME Saar
Was bewegt einen erfolgreichen Unternehmer dazu, den Alltag hinter sich zu lassen und den wohlig warmen Schreibtisch gegen vier Wochen Grönlandeis einzutauschen? Fast 600 Kilometer von West nach Ost auf Skiern und mit Pulka. Teilweise mit blauem Himmel und Sonne und teilweise unter völligem Whiteout mit Schneefall, starkem Wind und lebensgefährlichen Situationen. Welche Motivation steht dahinter? Wie bereitet man sich auf ein ungewisses Abenteuer vor? Welche Herausforderungen sind zu bewältigen und wie lassen sich die Erkenntnisse auf das Geschäftsleben übertragen? All diese Fragen und einige mehr beantwortete Ralf Baltes, Geschäftsführer der Burger Pumpen GmbH, den Mitgliedern und Gästen des BME Saar.
Er habe wohl in der Jugend zu viele Abenteuerbücher gelesen, anders kann sich Ralf Baltes seinen Entschluss zu dieser Tour nicht erklären. 24 Tage bergauf bis auf 2400 Höhenmeter und nur die letzten beiden Tage bergab, und das bei Temperaturen von minus 30 bis minus 20 Grad Celsius. Die komplette Verpflegung sowie Ersatzkleidung, Zelt und sonstiges Zubehör - alles in allem ca. 80 kg schwer - fanden im Schlitten, der sogenannten Pulka, Platz und mussten über die komplette Strecke hinterher gezogen werden. Da eine Verpflegung unterwegs nicht möglich war, musste der komplette Proviant mitgeführt werden. Und obwohl eine Auflage der dänischen Regierung vorschreibt, für jeden Tag 5.500 kcal mitzuführen, erfuhr Ralf Baltes auf der Reise einen Gewichtsverlust von 12 kg. Die Verpflegung bestand zum größten Teil aus hochkalorischer Spezialnahrung sowie aus 12 kg Schokolade – was bei dem einen oder anderen Teilnehmer zu extremen Verdauungsproblemen führte.
Die Expedition startete im Mai 2024 im westgrönländischen Kangerlussuaq und bestand aus 8 Teilnehmern, angeführt von zwei erfahrenen Bergführern. Alle waren während der 26 Tage auf sich selbst gestellt. Die einzige Verbindung zur Außenwelt war ein Satellitentelefon über das im absoluten Notfall, zum Beispiel bei einer schweren Verletzung oder Krankheit eines Teilnehmers, und nur bei gutem Wetter ein Helikopter angefordert werden konnte, was im Normalfall 2-3 Tage in Anspruch nähme. Eine längere Wartezeit ist nicht möglich, denn wegen der begrenzten Nahrungsmittel kann die Expedition auf maximal 30 Tage ausgedehnt werden. Das sollte sich am Ende noch als problematisch erweisen. Überhaupt ist Disziplin der Schlüssel. Die Tour war militärisch organisiert: auf eine Stunde laufen folgte eine 15minütige Pause, in der Essen sowie alles Notwendige erledigt werden musste. Wer zu spät kam, dem drohte den Anschluss zu verlieren. Daher musste penibel auf durchdachtes Packen der Utensilien geachtet werden, damit alles schnell zur Hand war. Das galt für den abendlichen Zeltaufbau und besonders das Umziehen der Kleidung. Alles musste schnell gehen, um eine Auskühlung zu vermeiden. Das Equipment war darauf ausgelegt. Alle Taschen verfügten über ein Sichtfeld, damit man nicht lange nach dem Inhalt kramen musste. 8000er Jacken (bis 8000 Höhenmeter), Stiefel, Filzsocken, Gesichtsmasken gehörten ebenso zur Ausstattung wie Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 100 und spezielle Blasenpflaster.
Der größte Feind neben Gletscherspalten, Eisbären und Verdauungsproblemen war die Langeweile. Mindestens 10 Stunden am Tag in absoluter Stille, nur umgeben von Schnee und blauem Himmel führte bei einigen Teilnehmern zu Halluzinationen. Die Kälte ließ sich dagegen relativ einfach ausblenden – ebenso Gerüche. Vier Tage vor dem Ende trat noch ein weiterer Feind auf: ein Piteraq (grönländisch für „was einen überfällt“), ein eiskalter Fallwind, zog auf. Bei Windgeschwindigkeiten von 80-100 km/h baute die Expedition Sturmmauern aus Schnee, um die Zelte zu schützen. Alle zwei Stunden mussten die Zelte freigeschaufelt werden. Doch das war nur der Vorbote, die Wetterprognose kündigte 4 Tage Sturm mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 140-160 km/h an. Was tun? Abwarten hätte bedeutet, sich 4 Tage einzugraben, bis der Sturm vorübergezogen wäre.
So blieb ihnen keine Wahl als die letzten 62 km ohne Pause zurückzulegen. Doch das klang einfacher als es war. Von nun an hieß es, immer in Bewegung zu bleiben, sonst hätte Lebensgefahr durch die drohende Auskühlung bestanden. Der Sturm warf sie immer wieder von den Skiern, ein Teilnehmer verlor seine Skier und musste zu Fuß weiter. Nun ging es zwar bergab, die Schlitten mussten nun nicht mehr gezogen werden. Sie liefen von selbst, doch wehte der Wind sie um oder warf sie aus der Spur. Eine endlose Plackerei, bis sie schließlich völlig entkräftet ihr Ziel in Tasiilaq, dem Hauptort Ostgrönlands, erreichten. Hier wurden sie von der Grönlandlegende Robert Peroni in seinem Hotel empfangen. Sie waren der Hölle entkommen!
Die meistgestellte Frage aus dem 30köpfigen Zuhörerkreis neben Kosten für die Reise (15.000 Euro inklusive aller Flüge), und für das Equipment (ca. 5.000 Euro) war, „würden Sie diese Reise nochmal machen?“ Wie aus der Pistole geschossen antwortete Ralf Baltes. „Einmal im Leben reicht völlig!“.
Und doch bereitet er sich bereits auf seine nächste Reise vor: einmal quer durch die Namib-Wüste. Natürlich zu Fuß! Wir werden berichten.
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