Energie- und Rohstoffbeschaffung: Aktuelle Marktsituation und Preistrends 2023
Gemeinschaftsveranstaltung des BME Region Saar und der IHK des Saarlandes
Trump, Brexit, Corona, Ukraine-Krieg… Ein Game-Changer folgt dem Nächsten und verunsichert zunehmend. Doch im Leben der Mitglieder des BMEsaar und den Gästen der IHK Saarland gibt es eine Konstante, an der jeder Versuch der Verunsicherung scheitert: Torsten Maus, der sich mit seinen Analysen zum Thema Energie- und Rohstoffbeschaffung nicht von Emotionen, politischen Aussagen oder gar Plattitüden der Presse beeinflussen lässt, sondern aus objektiven Fakten und Indices ein klares Bild über den Zustand der globalen Wirtschaft liefert.
Zwei Jahre Dauerkrisenmodus – zwei Jahre Dauerstress. So lässt sich die Situation für Einkäufer in den letzten beiden Jahren kurz und knapp zusammenfassen. Wer nach den gestörten Lieferketten in Folge der Corona-Krise dachte, es könne schlimmer nicht kommen, wurde mit Beginn der Ukraine-Krise eines Besseren belehrt. Von nun an galt es, sich auf neue Situationen wie Energieknappheit, Inflation und steigende Zinsen einzustellen. Welche Herausforderungen werden sich daraus für 2023 ergeben und wie kann der Einkäufer ihnen begegnen? Zur Beantwortung dieser Frage hatte der BMEsaar in seiner traditionellen Jahresauftaktveranstaltung gemeinsam mit der IHK des Saarlandes Herrn Torsten Maus, Rohstoffanalyst der ZF Group, eingeladen.
In seinem Grußwort lobte Dr. Carsten Meier, Geschäftsführer der IHK des Saarlandes, die intensive Zusammenarbeit der IHK mit dem BMEsaar und betonte die zentrale Rolle von Einkauf und Logistik für den Industriestandort Saarland. Momentan sei die Konjunktur im Saarland angesichts der immensen Herausforderungen erstaunlich robust, doch ergebe sich aus der Ukraine-Krise eine akute Gefahr für die saarländische Industrie. Die anstehenden ökologischen Transformationsprozesse lassen sich aus Sicht Meiers nur technologisch lösen. Hier sieht er das Saarland in Bezug auf Innovationspotential und gut ausgebildete Arbeitskräfte gewappnet, sofern es der Politik gelingt, die richtigen wirtschaftlichen Impulse zu setzen.
Andreas Gehring, Vorstandsvorsitzender des BMEsaar, betonte die Wichtigkeit des Einkäufernetzwerks BME in Zeiten gestörter Lieferketten und inflationärer Einkaufsmärkte, aber auch – mit einem Augenzwinkern – die sprachliche Komponente. „Kannten Sie etwa vor zwei Jahren den Brownout, den Doppelwumms oder den Ausdruck Sondervermögen statt Schulden?“ Weniger spaßig sei das Bürokratiemonster, das durch den Doppelwumms geschaffen wurde und so den Arbeitstag des Einkäufers verlängert, aber immerhin die Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer erfreut.
Damit leitete er über zu Torsten Maus, der sogleich mit einer guten Nachricht aufwarten konnte: Die Coronakrise sei börsentechnisch verarbeitet, und zwar global. Nach dem Abschied von Zero-Covid laufe es nun auch in China wieder rund. Erstaunlicher, dass die Börse die Ukraine-Krise ignoriere. Zwar sei derzeit keine Verhandlungslösung in Sicht, aber es werde auch keine Eskalation erwartet. Dies zeige sich auch darin, dass die Investoren, die 2022 auf Grund der akuten Blackout-Gefahr noch gegen den Euro gewettet hatten, nun wieder zurückkommen; der Euro erholt sich. An hohe Energiepreisen in Europa werde man sich hingegen gewöhnen müssen, eine Erholung für die nächsten Jahre sei nicht in Sicht. Die Gefahr einer Rezession bestehe durchaus, werde derzeit aber noch durch volle Auftragsbücher gedämpft.
Positive Konjunktursignale vermelden die USA. Die Inflation schwächt sich ab und man rechnet mit einem leicht sinkenden Zinsniveau im Lauf des Jahres, ein wichtiges Signal für die Märkte. Außerdem seien Vorwahljahre traditionell wirtschaftlich positive Jahre auf Grund politischer Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur, wie aktuell der Inflation Reduction Act. China hat den Leitzins bereits gesenkt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das Warenangebot aus China werde im Laufe des Jahres stark steigen.
Derzeit werde die Krise zurückgehandelt. Märkte wie Indien und Brasilien, die sich 2021 stark zeigten, werden schwächer. Die Rohstoffpreise erholen sich, ein stabiles Preisniveau ist zu erwarten. Gefahren für Europa ergeben sich aus dem inflationsbedingten Kaufkraftverlust der Konsumenten sowie der Abwanderung energieintensiver Branchen, wie zum Beispiel der Chemie. Kurz- und mittelfristig werden sich auch die Belastungen durch den Green Deal negativ auswirken, doch langfristig werde Europa von der Technologieführerschaft profitieren.
Dies zeige sich beim Stahl. Während USA und China wieder auf dem Niveau von 2020 angelangt sind, belasten die Kosten für CO2 und Energie die europäische Stahlindustrie. Zwar sind die Preise deutlich gesunken, aber noch nicht auf das Niveau von 2020. Die EU wird hier höchstwahrscheinlich ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren und Abwanderungstendenzen sehen. Ähnliches gilt für den Aluminiummarkt. Torsten Maus rät den Einkäufern, nicht einfach auf Mehrpreisforderungen der Lieferanten einzugehen, sondern sich durch Offenlegung der Rechnungen Mehrkosten nachweisen zu lassen.
Als eine Maßnahme zur Inflationsbekämpfung hatten die USA ihre Ölreserven aufgelöst und auf den Weltmarkt gebracht, diese werden jetzt wieder aufgefüllt, was die momentane Aufwärtsbewegung des Ölpreises erklärt. Russisches Öl kommt über russlandfreundliche Länder weiter auf den Weltmarkt, wird aber mit hohem Abschlag gehandelt. Die wegbrechenden Gasmengen kann Russland kurz- und mittelfristig nicht kompensieren, es fehlt an der notwendigen Infrastruktur, z.B. Pipelines nach China. Russlands Wirtschaft hat demzufolge ein Problem, zumal Deutschland russisches Gas erstaunlich gut substituieren konnte. Die Gasfüllstände sind auch am Ende des Winters außerordentlich hoch dank des milden Winters, aber auch dank der Nutzung von Einsparpotentialen. Auch wenn die Erdgaspreis deutlich gefallen sind, liegen sie immer noch Faktor 3 bis 4 über dem Niveau von 2020. Eine nennenswerte Entspannung sei für die nächsten Jahre nicht zu erwarten. Gleiches gilt für den Strom, denn bedingt durch die Merit-Order korrelieren Gas und Strom in ihrem Preisverlauf. Auch die hochvolatilen Spotmärkte sind angespannt, eine Beruhigung nicht in Sicht. Positive Impulse ergeben sich aus dem Preisverfall für Seefrachten. Der deflatorische Effekt wird sich positiv auf den globalen Handel auswirken.
Nach der offiziellen Veranstaltung blieb den Mitglieder des BMEsaar und den Gästen ausreichend Zeit und Gelegenheit, die wiedererwachte Freude am Netzwerken bei einer Präsenzveranstaltung zu genießen, die der BME mit zahlreichen Veranstaltungen und einem erweiterten Vorstand gerne weiterhin unterstützen wird.