Energie- und Rohstoffbeschaffung: Aktuelle Marktsituation und Preistrends 2020
Energie- und Rohstoffbeschaffung: Aktuelle Marktsituation und Preistrends 2020
Seit nunmehr 10 Jahren lädt der BME Region Saar gemeinsam mit der IHK Saarland in Saarbrücken zur traditionellen Jahresauftaktveranstaltung ein, die mit 80 Teilnehmern so gut besucht war, dass zusätzliche Stühle besorgt werden mussten.
Dr. Carsten Meier, Geschäftsführer der IHK Saarland, lobte in seinem Grußwort die intensive Zusammenarbeit mit dem BME Saar und betonte die zentrale Rolle von Einkauf und Logistik für den Industriestandort Saarland. Besonders vor dem Hintergrund der schwachen Industrie- und Exportnachfrage bedingt durch Handelskriege, Brexit, Iran-Krise und neuerdings dem Corona-Virus.
Andreas Gehring, Vorstandsvorsitzender des BME Saar bezeichnete die Kooperation mit der IHK gar als „WinWinWin"-Situation: Gewinn für den BME, die IHK und vor allem für die Mitglieder und Gäste des BME. In seinem Grußwort wies er auf die zahlreichen Veranstaltungen und Formate des BME Saar hin. Neben den traditionellen Firmenbesuchen und dem erfolgreichen Format des Roundtables wird es auch wieder ein ganztägiges Young-Professional-Fachforum geben, das sich gezielt and Studenten und Berufseinsteiger richtet. Am 31.3. wird darüber hinaus Mike Müller einen Vortrag zum Thema RPA (Robotergesteuerte Prozess-Automation)-Anwendungen im Einkauf halten.
Damit leitete Gehring zum Hauptvortrag von Torsten Maus, Rohstoffanalyst der ZF Friedrichshafen AG, zur Energie- und Rohstoffbeschaffung über. ZF mit ca. 150.000 Mitarbeitern ist einer der größten Automobilzulieferer weltweit sieht sich für die Zukunft gut gerüstet. Nach hohen Investitionen ist man auch in Zukunftsthemen wie E-Mobilität und autonomem Fahren gut aufgestellt. Mit der Entwicklung eines innovativen Hybridgetriebes hat man am Standort Saarbrücken ein attraktives Produkt, welches das Reichweiten-Problem der E-Mobilität löst und gleichzeitig vollelektrisches Fahren für den täglichen Pendelverkehr ermöglicht.
In der Weltwirtschaft sieht Maus die USA derzeit führend. Die US-Aktienindices verzeichnen Höhenflüge, die jedoch hauptsächlich von einigen wenigen Unternehmen wie Apple, Google, Amazon und Tesla getragen werden, während Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes auch in Amerika schwächeln. Dennoch hat die amerikanische Wirtschaft am meisten von dem durch die US-Regierung initiierten Handelskrieg, der mit zunehmendem Protektionismus einhergeht, profitiert. Es ist davon auszugehen, dass die Handelsstreitigkeiten zwischen China, Europa und den USA auch in den nächsten Jahren anhalten werden, was zur Folge hat, dass die Notenbankpolitik grundsätzlich expansiv bleiben sollte.
Trotz der unübersichtlichen geopolitischen Lage sind daher die Rohstoff- und Aktienmärkte auch recht stabil. Der Brexit zeigt an den Finanzmärkten keine Auswirkungen mehr und vor dem Hintergrund der anstehenden US-Wahl und der sinkenden Abhängigkeit der USA von Energieimporten ist im Nahen Osten nicht mit einer Eskalation zu rechnen. Entspannung auf ganzer Linie also? Nein! Maus sieht den Klimaschutztrend als „Game-Changer", der die deutsche Automobilindustrie in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen wird. Hieraus ergeben sich Chancen für neue Geschäftsmodelle, aber erstmal einmal belasten umfangreiche Investitionen die Branche, die sich im Gegensatz zur Finanzkrise 2008 nun in einer echten Strukturkrise befindet. Ein großes Problem ist die Tatsache, dass die großen Automobilisten für einen schnellen Strategiewechsel zu träge sind und zu lange Entscheidungswege die Flexibilität bremsen. Tesla hingegen hat einen enormen Technologievorsprung im Bereich der Akkutechnik, Datenverarbeitung und autonomem Fahren, was sich im Aktienkurs, der sich innerhalb weniger Monate verdoppelt hat, wiederspiegelt.
Positive Stützungseffekte für die deutsche Wirtschaft sind im aktuellen Marktumfeld hauptsächlich der schwache Außenwerte des Euros und das niedrige Zinsniveau. Für steigende Zinsen sieht Torsten Maus in 2020 keinen nennenswerten Spielraum.
Eine Eskalation des Handelskriegs sieht Maus vor der Präsidentschaftswahl in den USA nicht. Die florierende Wirtschaft sorgt für Sanftmut in der Präsidentenseele und erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederwahl im November! Insgesamt hat der Handelskrieg auch die chinesische Wirtschaft nicht allzu sehr beeinflusst, da China im vergangenen Jahr zwecks Kompensation die heimische Währung abgewertet hat.Zudem hat sich China verstärkt Richtung Russland orientiert und mittels Infrastrukturmaßnahmen versucht, die Binnennachfrage zu stärken.
Wachstumspotentiale für die Weltwirtschaft ergeben sich aus den boomenden Märkten Indien und Brasilien.
Die Rohstoffmärkte zeigen sich aktuell, bedingt durch die weltweite Schwäche des verarbeitenden Gewerbes und der Corona-Krise, die mit einer temporären Unterbrechung der Lieferketten einhergeht, relativ schwach. Das Angebot ist in vielen Bereichen höher als die Nachfrage, so dass das preisliche Aufwärtspotential gering ist.
Besonders der Erdgassektor, der trotz Heizsaison volle Speicherkapazitäten aufweist, ist relativ schwach. Die Stromnotierungen sind an der EEX in den letzten Wochen ebenfalls leicht unter Preisdruck geraten, das absolute Preisniveau ist aufgrund des hohen Preises der CO2-Emissionberechtigungen jedoch weiterhin relativ hoch.
Der europäische Stahlmarkt, der unter der Zunahme der China-Importe (Handelskrieg)zu leiden hat, steht ebenfalls unter Preisdruck und auf globaler Ebene müssen erst einmal Kapazitäten gekürzt werden müssen, bevor eine nachhaltige Trendwende zu erwarten ist.
Ähnliches gilt für Aluminium und – was für Erstaunen in den Augen der lauschenden Einkäufer sorgte – Seltene Erden. Die Notierungen stehen weit unterhalb des Allzeithochs woraus Maus schließt: „Seltene Erden sind in Wirklichkeit nicht selten!" – auch wenn in der Presse anderes kolportiert wird. Zur Presse hat Maus für die staunende Zuhörerschaft einen augenzwinkernden Tipp parat: „Wenn ein Trend in der Presse steht ist der Trend vorbei!".
Im Anschluss hatten die Gäste Gelegenheit bei deftigem Eintopf und saarländischem Bier zum Networken, ihre Erfahrungen auszutauschen oder einfach nur den herrlichen Blick auf Saar und Staatstheater zu genießen.